Du arbeitest auf eigene Rechnung als Freiberufler, Freelancer, Solo-Selbstständiger, Einzelunternehmer? Dann hast du gute Karten: Freie Mitarbeiter sind bei Auftraggebern ausgesprochen beliebt. Sie …
- denken und handeln selbstständig und sind engagiert,
- werden nur für tatsächlich geleistete Arbeit bezahlt,
- haben keinen Anspruch auf Urlaub und Lohnfortzahlung bei Krankheit,
- verfügen über eigene Arbeitsmittel,
- kümmern sich selbst um ihre Weiterbildung und
- sie verursachen extrem wenig Verwaltungsaufwand.
Noch mehr gute Argumente für freie Mitarbeit liefert der invoiz-Blogbeitrag „11 Gründe, warum du als Freelancer gute Karten hast“.
Ausbeutung statt Selbstständigkeit
Kehrseite der Medaille: In manchen Branchen (z. B. in Schlachthäusern, im Bau- und Transportgewerbe) vergeben Unternehmen in den letzten Jahren vermehrt Aufträge an vermeintlich selbstständige „Subunternehmer“. Auf diese Weise versuchen sie, den Mindestlohn und Arbeitnehmer-Schutzvorschriften zu umgehen sowie fällige Sozialversicherungsbeiträge zu sparen.
Dass Behörden Arbeitskräfte gegen Ausbeutung schützen und derartige Scheinselbstständigkeit bekämpfen, ist sicher sinnvoll und dient gewiss nicht nur dazu, die Kassen der Sozialversicherungsträger zu füllen. Leider treffen die Kontrollen anlässlich regelmäßiger Arbeitgeber-Betriebsprüfungen sowie punktueller „Statusfeststellungsverfahren“ häufig auch qualifizierte und gut bezahlte Freelancer:
Die vermeintlich Scheinselbstständigen werden dann aufgrund formaler Kriterien rückwirkend zu Arbeitnehmern erklärt, obwohl sie viel lieber …
- selbstständig arbeiten möchten,
- in der Lage sind, angemessene Honorare auszuhandeln und auch
- selbst für Krankheit, Alter und Auftragslöcher vorsorgen.
Vor allem Gründer haben daher oft das Gefühl, dass ein Damoklesschwert über ihnen hängt. Sie fürchten hohe Betrag- und Steuernachzahlungen oder gar Bußgelder und fühlen sich in ihrer Existenz bedroht.
Damoklesschwert Scheinselbstständigkeit?
Die gute Nachricht: Zumindest diese Sorge ist meistens unberechtigt. Zunächst einmal ein paar Klarstellungen:
- Viele Dienstleistungen können sowohl von Selbstständigen als auch von Arbeitnehmern erledigt werden.
- Es gibt eine rechtlich schwierige Grauzone bei der Abgrenzung zwischen selbstständigen Dienstleistern (= freien Mitarbeitern, Auftragnehmern) und nicht-selbstständigen Beschäftigten (= Angestellten, Arbeitnehmern).
- Da die Sozialgesetze bislang recht wenig Klarheit bringen, haben vielfach Sozialgerichte das letzte Wort.
- Als selbstständig gilt demnach grundsätzlich, wer seine Arbeitszeit selbst bestimmen kann, keine Weisungen des Auftraggebers befolgen muss und nicht in dessen Arbeitsorganisation eingebunden ist.
- Allein durch eindeutige Vertragsgestaltung lässt sich eine drohende Scheinselbstständigkeit nicht sicher ausschließen.
- Letztlich entscheidet die betriebliche Praxis: Von Gerichten festgelegte Selbstständigkeits-Kriterien liefern Anhaltspunkte für den sozialversicherungsrechtlichen Status eines Auftragnehmers (mehr dazu weiter unten). 100-prozentige Sicherheit bieten sie aber nicht.
- Bei Überprüfungen von Zweifelsfällen im Rahmen des Statusfeststellungsverfahrens lag die Wahrscheinlichkeit, dass bei Auftragnehmern Scheinselbstständigkeit festgestellt wurde, in den letzten Jahren bei bis zu 50%.
Wichtig: Die von den Rentenversicherungsträgern durchgeführten Statusfeststellungen beziehen sich immer nur auf einzelne Kooperationen. Von einem Freifahrtschein für alle Geschäftsbeziehungen eines bestimmten Dienstleisters kann keine Rede sein!
Auftraggeber in der Klemme!
Aaaaaber: Solange es „nur“ um die Gefahr einer eventuellen eigenen Scheinselbstständigkeit geht, halten sich die finanziellen Gefahren in Grenzen. Du selbst wirst allenfalls rückwirkend zum Arbeitnehmer – und zwar mit allen dazugehörigen Rechten (z. B. Urlaubsanspruch, Kündigungsschutz und betriebliche Sozialleistungen).
Die finanziellen Folgen einer nachträglich festgestellten Scheinselbstständigkeit treffen vielmehr in der Regel den Auftraggeber. Er muss die fälligen Beiträge zur Kranken-, Pflege-, Renten- und Arbeitslosenversicherung rückwirkend abführen – und zwar für einen Zeitraum von bis zu fünf Jahren (4-jährige Verjährungsfrist plus das laufende Jahr). Und selbst für offene Einkommen- und Umsatzsteuerzahlungen muss der Auftraggeber unter Umständen geradestehen.
Mit anderen Worten: Als externer Dienstleister für andere Unternehmen bist du selbst notfalls fein raus. Umgekehrt bedeutet das aber auch: Wenn du selbst andere Freelancer für dich arbeiten lässt, läufst du deinerseits Gefahr, zum „Arbeitgeber wider Willen“ zu werden!
Hinweis: Genau genommen unterscheidet das Sozialversicherungsrecht zwischen „Scheinselbstständigen“ und „arbeitnehmerähnlichen Selbstständigen“. Letztere müssen ihre Rentenversicherungsbeiträge auf jeden Fall selbst tragen. Ausführlichere Informationen zur Unterscheidung zwischen diesen beiden Gruppen folgen demnächst an dieser Stelle: Stay tuned!
Kriterien der (Schein-)Selbstständigkeit
Vorsichtig sein solltest du bei Aufträgen an freie Mitarbeiter immer dann, wenn er oder sie …
- keine eigenen Mitarbeiter hat,
- aktuell keine anderen Auftraggeber hat und womöglich auf Dauer ausschließlich oder weit überwiegend für dich arbeitet (Anhaltspunkt: 5/6 der Arbeitszeit),
- keine eigenen Geschäftspapiere hat, keine Website betreibt und auch sonst keine erkennbare Werbung für sich macht,
- kein eigenes Büro und / oder eigene Arbeitsmittel hat, dafür aber
- einen eigenen Arbeitsplatz in deinem Unternehmen hat,
- von dir genaue Anweisungen bekommt (z. B. auf welche Weise die Arbeit erledigt werden muss),
- in deine betriebliche Organisation eingebunden ist (z. B. interne E-Mail-Adresse, Telefonanschluss, Urlaubsplanung) und womöglich sogar
- von dir regelmäßig (z. B. monatlich) ein gleichbleibendes Dienstleistungs-Honorar bekommt.
Wichtig: Zuständig für die Statusbeurteilungen ist der „Betriebsprüfdienst“ der Deutschen Rentenversicherung. Dessen Feststellungen gelten für alle Zweige der Sozialversicherung – also auch für die Kranken-, Pflege- und Arbeitslosenversicherung. Arbeitgeber werden mittlerweile mindestens alle vier Jahre geprüft. Bei Selbstständigen ohne eigene Mitarbeiter finden keine regelmäßigen Kontrollen statt. Verdachtsabhängige Prüfungen sind aber jederzeit möglich.
Was tun?
Von vornherein auf der sicheren Seite bist du nur, wenn dein Dienstleister eine Kapitalgesellschaft ist. Das gilt zum Beispiel für die Ein-Personen-GmbH oder auch die Unternehmergesellschaft (UG). Wenn Mitarbeiter eines anderen Unternehmens für dich arbeiten, besteht normalerweise auch keine Gefahr der Scheinselbstständigkeit. Hier gibt es dann eher Probleme mit illegaler Arbeitnehmerüberlassung.
Bei Freiberuflern, Solo-Selbstständigen und anderen gewerblichen Einzelkämpfern verwendest du die zuvor genannten Anhaltspunkte für das mögliche Vorliegen einer Scheinselbstständigkeit am besten als eine Art Checkliste:
- Auf die weitgehende Eingliederung in die eigene Betriebsorganisation solltest du dann auf jeden Fall verzichten.
- Andere Kriterien (z. B. Vorhandensein von Geschäftspapieren, Website, Werbung, sozialversicherungspflichtige Mitarbeiter) lassen sich recht einfach überprüfen.
- Dass dein Auftragnehmer nicht ausschließlich für dich arbeitet und seinen Sozialversicherungs- und Steuerpflichten unaufgefordert nachkommt, kannst du dir ausdrücklich schriftlich bestätigen lassen. Oder du nimmst die Absichtserklärung gleich in deine Dienst- oder Werkverträge auf.
- Du kannst sogar vereinbaren, dass dein Geschäftspartner bei Feststellung einer Scheinselbstständigkeit für nachträglich verhängte Sozialversicherungsbeiträge und Steuern selbst verantwortlich ist. Das ändert zwar nichts daran, dass du zunächst einmal für die Steuern und Beiträge haftest: Du kannst hinterher aber zumindest versuchen, dir die Zahlungen vom ursprünglichen Auftragnehmer erstatten zu lassen.
Die Einzelheiten besprichst du am besten mit einem Unternehmensberater oder Rechtsanwalt, der sich im Arbeits- und Sozialrecht auskennt. Du kannst auch in der Rechtsberatung deines Berufs- oder Branchenverbandes nachfragen.
Ausblick
Und gleich noch ein paar positive Entwicklungen zum Schluss:
- Das Bundessozialgericht hat im vergangenen Jahr in einem richtungsweisenden Urteil die Honorarhöhe als zusätzliche – und durchaus bedenkenswertes – Kriterium eingeführt. Tenor: Wenn das Honorar eines nicht weisungsgebundenen Dienstleisters „deutlich über dem Arbeitsentgelt eines vergleichbar eingesetzten sozialversicherungspflichtigen Arbeitnehmers“ liegt und somit Eigenvorsorge zulässt, ist das „ein gewichtiges Indiz für eine selbstständige Tätigkeit“.
- In eine ähnliche Richtung weist das im Vorjahr in Kraft getretene neue „Werkvertragsgesetz“: Die Neuregelung soll nach dem Willen des Gesetzgebers „zeitgemäße Formen des kreativen oder komplexen Projektgeschäfts“ ausdrücklich nicht behindern. IT-Freelancer, Berater und ähnliche qualifizierte Selbstständige, die im Rahmen von Projekten im Betrieb ihrer Auftraggeber (mit)arbeiten, sind demnach vom Scheinselbstständigkeits-Generalverdacht ausgenommen.
- Schließlich, aber nicht zuletzt könnte auch die von der großen Koalition geplante allgemeine Rentenversicherungspflicht für Selbstständige Druck aus dem Scheinselbstständigkeits-Kessel nehmen: Wer eine angemessene insolvenz- und pfändungssichere private Altersvorsorge nachweisen kann, soll sich von der geplanten gesetzlichen Versicherungspflicht befreien lassen können. Außerdem soll das Statusfeststellungsverfahren für Selbstständige vereinfacht und widerspruchsfrei ausgestaltet werden.
- Aktuelle Entwicklungen, Petitionen und Aktionen rund um das Thema Scheinselbstständigkeit findest du auf der einschlägigen Themenseite des „Verbands der Gründer und Selbstständigen Deutschland e.V.“ (VGSD).
Weitere Informationen kannst du bei nächster Gelegenheit an dieser Stelle nachlesen: Stay tuned!
Noch Fragen?
Was im Freelancer-Alltag sonst noch wichtig ist und wie invoiz dir dabei hilft, erfährst du auf folgenden Seiten:
- Statusfrage: Freiberufler oder Gewerbetreibender?
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