Die Abgrenzung zwischen einem „Gewerbe“ und einem selbstständig ausgeübten „freien Beruf“ ist bei genauerem Hinsehen eine einträgliche Arbeitsbeschaffungsmaßnahme für Juristen. Mit den Feinheiten von Zweifelsfällen beschäftigen sich regelmäßig die obersten Gerichte.
Ganz grob lässt sich sagen:
- Grundsätzlich führt jeder Unternehmer ein Gewerbe. Eine einfache Anmeldung genügt. Nachweis der Anmeldung ist der berühmte „Gewerbeschein“.
- Ausnahmen von diesem Grundsatz gelten vor allem für Freiberufler und vergleichbare Selbstständige. Eindeutig kein Gewerbe im steuer-, gewerbe- und handelsrechtlichen Sinne führen die Angehörigen der klassischen freien Berufe (z. B. Ärzte, Rechtsanwälte, Notare, Steuerberater, Wirtschaftsprüfer, Architekten, Journalisten, Künstler). Als freiberuflich gelten außerdem alle selbstständig ausgeübten wissenschaftlichen, künstlerischen, schriftstellerischen, unterrichtenden oder erzieherischen Tätigkeiten. Je nach Rechtsgebiet gibt es außerdem Gewerbe-Ausnahmen für Unternehmen der „Urproduktion“ (wie Land- und Forstwirte, Winzer, Fischereibetriebe) sowie randständige Spezialbranchen (wie dem Vertrieb von Lotterielosen).
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Nach einer in sich stimmigen Begründung für den Statusunterschied zwischen gewerblichen und freiberuflichen Selbstständigen wirst du leider ebenso erfolglos suchen wie nach einer eindeutigen rechtlichen Definition der „freien Berufe“. Am nächsten kommt dem noch eine Formulierung in § 1 Abs. 2 Partnerschaftsgesetz, in dem es heißt:
„Die Freien Berufe haben im allgemeinen auf der Grundlage besonderer beruflicher Qualifikation oder schöpferischer Begabung die persönliche, eigenverantwortliche und fachlich unabhängige Erbringung von Dienstleistungen höherer Art im Interesse der Auftraggeber und der Allgemeinheit zum Inhalt.“
Generelle rechtliche Geltung hat diese Definition jedoch nicht. Ob du Freiberufler oder Gewerbetreibender bist und welche Folgen diese Einstufung hat, wird unter anderem …
- in der Gewerbeordnung,
- im Einkommensteuer- und Gewerbesteuergesetz,
- in der Abgabenordnung und im Handelsgesetzbuch,
- im IHK-Gesetz und der Handwerksordnung und sogar
- im Künstlersozialversicherungsgesetz
… beantwortet. In Zweifelsfällen solltest du dir daher unbedingt fachlichen Rat holen – zum Beispiel bei einem Steuerberater oder Rechtsanwalt. Gute Anlaufstellen sind auch die Berufs- und Branchenverbände.
Viele Freiberufler-Vorteile
Angehörigen der freien Berufe und vergleichbare Selbstständige haben’s in vielerlei Hinsicht besser.
Sie …
- dürfen ihre Tätigkeit ohne Gewerbeschein ausüben,
- unterliegen nicht der Gewerbeaufsicht,
- zahlen keine Gewerbesteuer,
- können sich unabhängig von Gewinn- und Umsatzgrenzen die kaufmännische Buchführung und Bilanzen sparen,
- müssen sich selbst dann nicht ins Handelsregister eintragen lassen, wenn Sie Millionenumsätze machen, und
- sind auch nicht Pflichtmitglieder in der Industrie- und Handelskammer oder Handwerkskammer.
Wenn du also die Wahl hast, bist du mit dem Freiberufler-Status normalerweise besser bedient. Umstritten ist häufig der Status „neuer“ Selbstständiger – etwa von Webdesignern, Programmierern und anderen IT-Freelancern oder auch Kundsthandwerkern. Hier kannst du aber nichts falsch machen, wenn du erst einmal ohne Gewerbeschein als Freiberufler startest.
Falls deine Tätigkeit nicht eindeutig gewerblich oder freiberuflich ist, überlässt du die vorläufige Statusklärung am besten deinem Steuerberater. Aber freu‘ dich nicht zu früh: Selbst wenn das Finanzamt deine Freiberuflichkeit zunächst anerkennt, kann deine Tätigkeit später anlässlich einer Steuerprüfung immer noch als gewerblich eingestuft werden. Doch selbst das wäre kein Weltuntergang: mehr dazu weiter unten.
Ganz gleich, ob Gewerbe oder freier Beruf: Wenn du dauerhaft auf eigene Rechnung und eigene Verantwortung arbeitest und damit Gewinn erzielen willst, musst du deine Tätigkeit anmelden.
Brauche ich einen Gewerbeschein?
Nicht unbedingt: Welche Branchen und Berufe nicht zum „Anwendungsbereich“ der Gewerbeordnung gehören, kannst du in § 6 Gewerbeordnung (GewO) nachlesen. Falls deine Tätigkeit in der Aufzählung dort fehlt, solltest du dir nicht ohne Not in vorauseilendem Gehorsam einen Gewerbeschein holen: Sprich‘ im Zweifel vorher auf jeden Fall mit einem Steuerberater oder anderen Experten!
Falls du eindeutig ein Gewerbe betreibst (z. B. als Ebay-Händler, Thermomix-Verkäuferin, PC-Reparaturladen oder Hausmeisterservice), musst du dem Gewerbe- oder Ordnungsamt deiner Gemeinde den Beginn der Tätigkeit Gewerbe mitteilen. Das verlangt § 14 Gewerbeordnung. Kostenpunkt: 25 bis 40 Euro. Das war’s dann aber auch schon. Mit der gefürchteten Gewerbeaufsicht haben die wenigsten Kleingewerbetreibenden je zu tun: Die überwacht vor allem die Einhaltung von Vorschriften des Verbraucher-, Umwelt- und Arbeitsschutzes in größeren Unternehmen.
Welche Steuern muss ich bezahlen?
Welche betrieblichen und privaten Steuern anfallen, hängt zum Teil ebenfalls vom Status des Selbstständigen ab:
- Umsatzsteuer: Bei der Umsatzsteuer gibt es keine generellen Unterschiede zwischen Gewerbetreibenden und Freiberuflern. Sowohl in der Liste steuerpflichtiger (= „steuerbarer“) Umsätze des § 1 UStG als auch der Umsatzsteuerbefreiungen des § 4 UStG finden sich freiberufliche und gewerbliche „Lieferungen und Leistungen“. Bei der Kleinunternehmer-Regelung gibt es ebenfalls keine Statusunterschiede.
- Gewerbesteuer: Wie der Name schon sagt, muss diese betriebliche Steuer nur von Gewerbetreibenden bezahlt werden. Für Einzelunternehmer und Personengesellschaften gibt es aber einen Freibetrag von 24.500 Euro. Gewerbesteuer fällt erst dann an, wenn der Gewerbeertrag darüber liegt. Der Gewerbeertrag entspricht in etwa dem zu versteuernden Gewinn. Die gezahlte Gewerbesteuer wird außerdem ganz (oder zum größten Teil) auf die private Einkommensteuer des Unternehmers angerechnet. Zu einer echten finanziellen Belastung wird die Gewerbesteuer daher nur dann, wenn der Gewerbesteuer-„Hebesatz“ am Betriebs-Standort höher als 380 % ist. Mit zusätzlicher Arbeit ist der Gewerbestatus aber auf jeden Fall verbunden: Das Finanzamt erhebt die Gewerbesteuer auf Grundlage von vierteljährlichen Voranmeldungen und Jahres-Steuererklärungen. Auch hier lässt du dir die Einzelheiten am besten von deinem Steuerberater erklären.
- Einkommensteuer: Die wichtigste und „teuerste“ Steuerart fällt auf alle Einkunftsarten an – darunter auch Gewerbebetriebe und Freiberufler, die einen Einnahmenüberschuss erwirtschaftet haben: Gewerbetreibende zahlen ihre Einkommensteuer gemäß § 15 EStG auf „Einkünfte aus Gewerbebetrieb“. Dafür gibt es ein spezielles Steuerformular: die „Anlage G“.
Freiberufler und vergleichbare Selbstständige zahlen Einkommensteuer auf „Einkünfte aus selbstständigen Tätigkeiten“. Das ist in § 18 EStG geregelt. Das richtige Steuerformular ist hier die „Anlage S“.
Was gehört zu Tätigkeits- und Katalogberufen?
In § 18 EStG findest du übrigens auch die Aufzählung der einschlägigen freien Tätigkeits- und Katalogberufe:
- Als freiberuflich im Sinne des Einkommesteuergesetzes gilt die „selbständig ausgeübte wissenschaftliche, künstlerische, schriftstellerische, unterrichtende oder erzieherische Tätigkeit“.
- Konkret aufgezählt wird zudem der klassische Freiberufler-Katalog „Ärzte, Zahnärzte, Tierärzte, Rechtsanwälte, Notare, Patentanwälte, Vermessungsingenieure, Ingenieure, Architekten, Handelschemiker, Wirtschaftsprüfer, Steuerberater, beratenden Volks- und Betriebswirte, vereidigten Buchprüfer, Steuerbevollmächtigten, Heilpraktiker, Dentisten, Krankengymnasten, Journalisten, Bildberichterstatter, Dolmetscher, Übersetzer und Lotsen“.
- Da im Gesetz darüber hinaus aber noch von „ähnlichen Berufe“ die Rede ist, handelt es sich nicht um eine abgeschlossene Aufzählung. Und weil die Zahl der hoch qualifizierten selbstständigen Tätigkeiten in der Informationsgesellschaft nun einmal wächst und ständig neue und geänderte Berufsbilder entstehen, ergibt sich regelmäßig Klärungsbedarf.
Wichtig: Auf Höhe der Einkommensteuer hat der Gewerbe- oder Freiberufler-Status keine Auswirkungen. Gewinnermittlung und Buchführung können aber aufwendiger werden: Gewerbetreibende müssen ab einem Jahresgewinn von 60.000 Euro und einem Jahresumsatz von 600.000 Euro …
- die kaufmännischen Buchführungs-Vorschriften beachten,
- Inventur machen,
- Jahresabgrenzungen und Bewertungen vornehmen sowie
- Bilanzen aufstellen.
Immerhin: Kleingewerbetreibende können mit dem Wechsel der Buchführungsart warten, bis sie vom Finanzamt dazu aufgefordert werden.
Für Freiberufler bleibt es dagegen generell bei der einfachen Buchführung und Gewinnermittlung per Einnahmenüberschussrechnung – ganz gleich, wie groß der Betrieb und wie hoch die Einnahmen und Gewinne sind.
Dass die Betriebsgröße steuerlich keine Rolle spielt, findet seine Entsprechung auch im Handelsrecht: Wachsende Gewerbebetriebe werden gemäß § 1 HGB früher oder später zum „Handelsgewerbe“ und müssen ins Handelsregister eingetragen werden. Das bringt nicht nur zusätzliche Kosten und eine Menge zusätzlichen Verwaltungsaufwand mit sich: Auch die rechtlichen Risiken eines Handelsgewerbes sind deutlich höher als die anderer Selbstständiger und Unternehmer.
Du willst noch weitere Informationen zum Thema Freiberufler und deren Abgrenzung?
Bitte sehr:
- Die IHK Berlin hat ein vierseitiges Merkblatt zum Thema „Abgrenzung Gewerbe und Freier Beruf“ (PDF, 60 KB) mit einigen exemplarischen Zweifelsfällen veröffentlicht.
- Die Handelskammer Hamburg hat in ihrer „Abgrenzung Gewerbebetrieb – Freie Berufe“ unter anderem ein „ABC der gewerblichen Berufe“ und ein „ABC der freien Berufe / selbstständigen Arbeit“ zusammengestellt.
- Das Bundeswirtschaftsministerium sammelt auf seinem Gründerportal laufend Fragen und Expertenantworten rund um das Thema „Freie Berufe„.