Sage niemand, die Groko sei nur mit sich selbst beschäftigt: Der Bundestag hat im Oktober ein GKV-Versichertenentlastungsgesetz verabschiedet, das sich durchaus sehen lassen kann. Für freiwillig gesetzlich versicherte Selbstständige bringt die Neuregelung gegenüber dem ursprünglichen Gesetzentwurf sogar zusätzliche Vergünstigungen:
- Derzeit liegt die Mindestbemessungsgrenze der Kranken- und Pflegeversicherungsbeiträge bei rund 2.300 Euro. Zunächst sollte dieses fiktive Mindesteinkommen ab 2019 auf 1.142 Euro gesenkt werden. In letzter Minute legte der Bundestag die Berechnungsgrundlage überraschend auf nur noch 1.038 Euro fest. Damit sinken die Mindestbeiträge von zurzeit bis zu 400 Euro auf einen Schlag unter 190 Euro!
- Der bisher erforderliche Nachweis, ob eine haupt- oder nebenberufliche Selbstständigkeit vorliegt, entfällt.
- Die neue Berechnungsgrundlage liegt sogar noch deutlich unter den bisherigen Sonderkonditionen für Bezieher des Existenzgründungszuschusses: Sie mussten zuletzt Mindestbeiträge in Höhe von rund 275 Euro bezahlen. Auch für staatlich geförderte Gründer gilt Zukunft die allgemeine Beitrags-Berechnungsgrundlage.
- Für selbstständige Bezieher von Krankengeld, Eltern- oder Mutterschaftsgeld gibt es ebenfalls eine gute Nachricht: Die Betroffenen zahlen ab Januar einkommensabhängige Beiträge. Bisher verlangen die Krankenkassen die Beiträge auf Grundlage des hohen fiktiven Mindesteinkommens. Ihre eigenen Leistungen (Krankengeld, Eltern- oder Mutterschaftsgeld) berechnen sie dagegen auf Basis des wesentlich niedrigeren tatsächlichen Einkommens!
Wichtig: Die genannten Beitragsvorschriften gelten nur für freiwillig Versicherte! Pflichtversicherte sind davon nicht betroffen. Pflichtversichert in der GKV sind zum Beispiel Mitglieder der Künstlersozialkasse oder der gesetzlichen Krankenversicherung für Landwirte. Deren Krankenkassen-Beiträge sind jedoch bereits jetzt deutlich günstiger als die der freiwillig versicherten Selbstständigen.
Und gleich noch ein Hinweis hinterher: Wenn dir in der aktuellen Berichterstattung noch deutlich niedrigere Monatsbeiträge als die genannten ca. 190 Euro über den Weg laufen, darfst du dich nicht wundern. So spricht Bundesgesundheitsminister Spahn auf der Website seines Ministeriums zum Beispiel von 156 Euro Mindestbeitrag. Die Differenz kommt dadurch zustande, dass darin …
- die von vielen Kassen erhobenen Zusatzbeiträge,
- eine eventuelle Krankengeldversicherung und vor allem
- die Pflegekassenbeiträge nicht berücksichtigt werden.
Je nach Krankenklasse liegt die Gesamtbelastung in der gesetzlichen Kranken- und Pflegeversicherung im Schnitt zwischen 18 % und 19 %. Das entspricht einem Mindest-Monatsbeitrag zwischen 185 Euro und 197 Euro – Familienversicherung inklusive!
Win-Win-Situation
Durch das Entlastungsgesetz gibt es künftig auch für weniger betuchte Selbstständige eine halbwegs erschwingliche Kranken- und Pflegeversicherung! Kurzfristig werden mehrere Hunderttausend GKV-Mitglieder von den Beitragsnachlässen profitieren.
Darüber hinaus verbessert sich durch die Neuregelung die soziale Lage aller Selbstständigen: Denn die Inhaber florierender Unternehmen können durch geschäftliche Misserfolge oder persönliche Krisen jederzeit Gewinneinbrüche erleben: Bezahlbare Sozialversicherungsbeiträge sind dann ein großer Segen.
Was auf den ersten Blick überrascht: Auch für die Krankenkassen könnte sich die Neuregelung rechnen. Denn realistische Mindestbeiträge können von den Mitgliedern auch tatsächlich bezahlt werden. Das ist allemal besser als „Mondpreise“, die Mitglieder überfordern und zu nicht eintreibbaren Forderungen führen. Durch die bisherigen Konditionen sind in den vergangenen Jahren denn auch Beitragsschulden in Milliardenhöhe aufgelaufen!
Was tun?
Wenn dein Einkommen bisher unter 1.038 Euro lag, kommst du ab 1. Januar 2019 automatisch in den Genuss der Beitragssenkung. Um auf Nummer sicher zu gehen, rufst du am besten bei deiner Krankenkasse an und fragst nach, ob du zusätzliche Nachweise erbringen musst.
Du hast bislang den Mindestbeitrag von rund 400 Euro bezahlt – dein tatsächliches Einkommen lag aber unter dem fiktiven Mindesteinkommen? Dann fragst du am besten bei deiner Krankenversicherung nach, was du tun musst, um ab Jahresbeginn niedrigere Beiträge zu bezahlen. Normalerweise erfolgt die Neuberechnung erst auf Basis des Vorjahres-Steuerbescheids. Bei gravierenden Änderungen (Anhaltspunkt: 25 % niedrigere Einkünfte) waren unterjährigen Beitragsanpassungen aber auch bislang schon vorher möglich.
Rückwirkende Beitragsanpassungen
So oder so: Seit 2018 werden die Beiträge freiwillig versicherter Selbstständiger ohnehin vorläufig festgelegt. Sobald du den Steuerbescheid für das Vorjahr in Händen hältst, musst du ihn bei deiner Krankenkasse einreichen. Dann wird dein Beitrag rückwirkend angepasst. Falls du im Vorjahr zu wenig Beiträge entrichtet hast, musst du Nachzahlungen leisten. Anderenfalls hast du Anspruch auf Beitragserstattungen.
Durch das bislang hohe fiktive Mindesteinkommen dürfen sich gering verdienende GKV-Mitglieder zwar wenig Hoffnung auf Beitragserstattungen für das Jahr 2018 machen. Ab dem nächsten Jahr wird die Wahrscheinlichkeit von Erstattungen aber deutlich steigen!
Noch Fragen?
Was beim Start in die Selbstständigkeit sonst noch alles zu beachten ist und wie invoiz dir dabei hilft, erfährst du auf folgenden Seiten:
- Krankenversicherung für Selbstständige: GKV oder PKV?
- Genehmigungen und Meldepflichten: Muss das sein?
- Selbstständig machen? So meldest du dich beim Finanzamt an!
- Freiberufler oder Gewerbetreibender: Wie bist du unterwegs?
- Themenseite: Kleinunternehmerregelung
- Freelancer-Checkliste: Die 10 Gründer-Gebote
- 11 Gründe, warum du als Freelancer gute Karten hast
- Angebot schreiben: So geht’s!
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